Obersee-Exkursion

Und plötzlich ist es da. So klein und leicht ist es, dass sogar die dünne Schwimmvegetation es tragen kann. Doch was am meisten auffällt, sind die unendlich langen Zehen des Zwergsumpfhuhns, die ihm das Gehen hier ermöglichen. Während es flink am Schilfrand entlanghuscht, holen die anwesenden Fotografen alles aus ihrer Ausrüstung heraus. Die Stille wird nur unterbrochen durch das leise Klackern ihrer Kameras. Vielleicht zehn Minuten lang zeigt sich Europas kleinste Ralle auf wenige Meter frei auf dem Wasser, dann verschwindet sie so, wie sie gekommen ist. Mit einem plötzlichen, kurzen Auffliegen wechselt sie die Seite des Grabens.

Dass wir an diesem Morgen eine solche Seltenheit so gut beobachten können, ist nicht unbedingt abzusehen gewesen, auch wenn das Ziel unserer Augustexkursion zweifelsfrei nicht schlecht gewählt ist: Wenn im Spätsommer der Vogelzug wiedereinsetzt, lohnt sich ein Besuch am Obersee auf alle Fälle. Unsere Wahl ist auf das Kaltbrunner Riet gefallen, eines der letzten Überbleibsel der ausgedehnten Feuchtgebiete in der Linthebene. Viele Limikolen, aber auch zahlreiche andere Vogelarten, legen hier auf ihrem Weg in den Süden eine kurze Rast ein.

Ganze 22 Natrixlerinnen und Natrixler sind heute früh aufgestanden und haben nun das Glück gehabt, das Zwergsumpfhuhn aus nächster Nähe bestaunen zu können. Da wir eine so grosse Gruppe sind, teilen wir uns auf. Manche verbringen fast den ganzen Morgen hier am Graben, um das Zwergsumpfhuhn, das sich immer wieder lange zeigt, weiter zu beobachten und zu fotografieren. Die anderen gehen im Kaltbrunner und im angrenzenden Benkener Riet auf Vogelsuche.

Im August steht die Vegetation im Ried hoch und üppig, auf dem kleinen Turm am Entenseeli ist fast nichts zu sehen. Anders ist die Lage auf dem grossen Turm: Weil er so hoch aufragt, lassen sich weite Teile des Rieds überblicken. Wir entdecken über 20 Bekassinen, auch Bruch- und Waldwasserläufer. Eine Rohrweihe jagt über den Schilfflächen. Kurz und scharf erklingt der Ruf des Eisvogels, wenn er über die Wasserflächen saust. Immer wieder hören wir aus der Ferne die metallischen Rufe der seltenen Bartmeisen, die in diesem Jahr hier gebrütet haben. Doch es dauert lange, bis wir sie sehen. Kaum entdeckt, sind sie auch schon wieder verschwunden.

Grosse Begeisterung löst bei den Jüngeren eine Familie von Neuntötern aus, die in einer Hecke sitzt. Wir entdecken auch Braun- und Schwarzkehlchen, einen Gartenrotschwanz und mehrere Sperber. Blaukehlchen scheinen an diesem Tag nicht hier zu sein, vielleicht sind sie aber auch einfach zu gut in der Vegetation versteckt. Dafür zeigt sich für einen ganz kurzen Moment ein Schilfrohrsänger, bevor er sich wieder in den Uferbewuchs verzieht.

Gegen Mittag kommt es gewissermassen zum dramatischen Höhepunkt des Tages: Ein paar Natrixlerinnen und Natrixler, die gerade auf dem grossen Turm sind, können zusehen, wie ein Graureiher einen jungen Zwergtaucher packt und ihn vor dem Verzehr tot hackt. Obwohl sich Graureiher bekanntlich von allem ernähren, was ihnen in den Schnabel passt, überrascht diese seltene Beobachtung dennoch und hinterlässt bei den Anwesenden einen nachhaltigen Eindruck.

Auch Insekten liessen sich beobachten: Hier eine Gewöhnliche Strauchschrecke (Bild: Nicolas)

Schliesslich packen wir unsere Fernrohre und Kameras zusammen und machen uns auf den Weg zum Bahnhof Uznach. Auch wenn wir nur einen Morgen lang im Kaltbrunner Riet verbracht haben, sind uns doch einige bemerkenswerte Beobachtungen geglückt. Wir freuen uns bereits auf die Exkursion an den Klingnauer Stausee in einem Monat und sind gespannt, was wir dort alles entdecken!