Nach der mehrstündigen Anreise, für welche einige Teilnehmende schon um 4 Uhr (!) aufgestanden waren, mussten wir auf die ersten Bergarten nicht lange warten. Zwei Steinadler konnten wir schon von der Talstation der Gemmibahn beobachten. Kreisten von hinter den imposanten Felswänden hervor und verschwanden auch bald schon wieder. Ein netter Vorgeschmack, unsere eigentliche Motivation für die weite Reise war oben auf dem Berg zu finden.

Nach der Gondelfahrt merken wir, dass wir bei weitem nicht die ersten sind. Schon circa 20 andere haben sich mit Kameras am Beobachtungspunkt platziert und warten, bis die Steinadler und Bartgeier vorbeikommen. Dabei müssen wir noch den vereisten Schnee überqueren, wobei sich die Winterschuhe definitiv lohnen. Mal angekommen, werden wir direkt von Alpendohlen, Schneesperlingen und Alpenbraunellen verwöhnt. Diese tummeln sich nur knapp einen Meter hinter der Absperrung und nehmen direkt die Aufmerksamkeit aller Teilnehmenden mit Kameras in Anspruch. Obwohl natürlich die grössten Hoffnungen den grossen Greifvögeln gelten, wird uns mit all diesen Vögeln keineswegs langweilig.

Mit dem Wetter hatten wir immenses Glück. Blauer Himmel und Sonnenschein, die Temperaturen nicht annähernd so kalt wie befürchtet.

Allzu lange geht es auch nicht, bis jemand den Bartgeier weit unten im Tal erspäht und sich auch zwei junge Steinadler blicken lassen. Sofort drehen sich die etlichen Spektive in Richtung Tal. Allerdings nur für eine kurze Zeit, der Vogel verschwindet wieder. Hoffentlich, um sich weiter in die Höhe zu schrauben und uns dann eine Stunde später aus nächster Nähe zu überraschen.

Auf Hinweis anderer Ornis, dass am nahen Fels ein Alpenschneehuhn gesichtet wurde, fanden wir nach ein bisschen Suche tatsächlich ein männliches Individuum, das zwischen zwei Felsen versteckt der brennenden Sonne zu entkommen versuchte. Von diesem Ort bewegte es sich auch während unserer ganzen Beobachtungszeit nicht mehr.

Plötzlich geht gefühlt alles sehr schnell. Louis bemerkt den adulten Bartgeier, der nun einiges näher der Passhöhe entgegenfliegt, als erster. Der imposante Vogel schweift einige hundert Meter vor uns hin und her, sein Schatten flackert über die steinige Felswand. Geräusche des Staunens mischen sich mit den Klicktönen verschiedenster Kameramodelle, während die Welt um einige hundert Bartgeierfotos reicher wird. Dann macht jemand auf einen weiteren adulten Bartgeier aufmerksam, der weiter unten und viel näher am Berg erscheint. Es zeichnet sich ab, dass, wenn wir Glück haben, dieser Vogel sich vom Hangaufwind genau über unsere Köpfe über die Kuppe tragen lassen wird. Dies geschieht dann auch tatsächlich und der Bartgeier fliegt wenige Meter vor uns empor, so nahe, dass jedes Barthaar sichtbar wird und die zweifarbige Iris im Augenkontakt mit dem grössten brütenden Greifvogel der Schweiz ganz klar erkennbar wird. Nachdem sie eine kurze Zeit in der Nähe voneinander kreisten, landete der erste Vogel auf einer Klippe, wo sie wenig später kurz rauften und der zweite Bartgeier sich danach in die entgegengesetzte Richtung davonmachte. Vermutlich eine Auseinandersetzung über Reviergrenzen, wie uns danach erklärt wurde.

Einer der Bartgeier bleibt danach noch etwas auf einem Felsvorsprung sitzen, dreht anschliessend eine Ehrenrunde und verschwindet hinter uns in die Hochebene hinein. Als sich die Spannung löste, kommen die etlichen prächtigen Fotos zum Vorschein:
Die ornithologischen Leckerbissen sind mit dieser prächtigen Beobachtung aber noch nicht vorüber, denn etwas später machen zwei Alpenkrähen durch ihren Ruf (”kratzige Laserpistole”) auf sich aufmerksam. Tatsächlich können wir auch diese seltenen Vögel danach noch zwischen den Alpendohlen erspähen.

Nach knapp fünf Stunden brechen wir auch schon langsam wieder auf, dem Mittelland entgegen. Während ich jetzt gerade den Blog schreibe, sitzen alle munter im Zug, zeigen sich gegenseitig ihre besten Fotos von Bartgeier & Co und tauschen Beobachtungen aus. Die Stimmung einer gelungenen Exkursion.